Antikes Handwerk und Leben im Rheinland zwischen 100 BC und 100 AC
Antikes Handwerk und  Leben im Rheinland zwischen 100 BC und 100 AC

Landwirtschaft

 

Das Klima der ausgehenden Eisenzeit (EZ) bzw. beginnenden Römerzeit (RZ) im Rheinland entspricht in etwa dem heutigen (das Subatlanticum im Holozän)1.

 

Zunächst hatten sich lichte Eichenwälder etabliert. Erwartbarer dichter Haselunterwuchs läßt sich aber im Pollendiagramm nicht nachweisen, was auf starken Verbiss durch Waldweidewirtschaft schließen läßt2.

Die starke Beweidung führt auf nährstoffarmen Böden bald zur Bildung erster Heiden, die nur noch als Weide für Schafe und Ziegen taugen. Auch die Feuchtgebiete werden nun zunehmend zur Grünlandwirtschaft mit intensiver Rindviehhaltung genutzt. Insgesamt lassen alle Pollenspektren der rheinländischen EZ auf ausgedehntes Offenland schließen.

 

Grundsätzlich werden die Felder in einer Feld/Graswirtschaft genutzt, bei der Äcker regelmäßig mehrjährig brachliegen, um dabei als Weide für das Vieh zu dienen. Dieses verzahnte System von Ackerbau und Viehzucht durch Waldweide, Grünland – und Feld/Graswirtschaft beansprucht die vorhandenen Flächen stark.

Die durchschnittliche Nutzfläche je Siedlung beträgt etwa 4 Quadratkilometer und erstreckt sich auf eine Entfernung von bis zu 10 km3. Die einzelnen Felder sind nach archäologischen Befunden eisenzeitlicher Ackerflure aus Irland, Dänemark und Norddeutschland meist rechteckig und etwa 3000 Quadratmeter groß.

 

Vermutlich starkes Bevölkerungswachstum führt schließlich zu einer Intensivierung der Grünlandwirtschaft, da die Waldweide nicht mehr für die gewachsenen Viehherden reicht. Die Zunahme von Kieferpollen läßt auf erste Verkarstungen durch Bodenerosion in Folge der Landwirtschaft schließen4.

 

Insgesamt erinnert die Landschaft an das frühe 19. Jahrhundert, abgebildet auf den französischen Tranchot-Karten. Am Ende der EZ gibt es in den Lößbörden keine ursprüngliche natürliche Vegetation mehr5.

 

Im Getreideanbau verdrängt nun der Spelzweizen Dinkel fast vollständig die alte Sorte Einkorn. Die ebenso alte Sorte Emmer behält im Mischanbau mit dem Dinkel bis in die RZ eine gewisse Bedeutung. Daneben werden auch die Nacktweizen-Sorten Zwerg- und Saatweizen sowie die Gerste angebaut6. Eine weitere wichtige Getreidesorte der EZ ist die Hirse. Neben der erwartbaren Rispenhirse wird im Rheinland auch die Kolbenhirse als lokale Besonderheit angebaut. Diese kommt sonst nur rund ums Mittelmeer vor.

Die heute so bekannten Getreide Roggen und Hafer werden zwar nachgewiesen, aber in so geringem Umfang, das sie wohl nur als geduldetes Unkraut in den Feldern standen7. Anders in Nordeuropa, wo der Hafer ab dem 3. Jahrhundert vor Christus eine bedeutende Rolle spielt8.

 

Weitere angebaute Grundnahrungsmittel sind die Erbse (das Rheinland ist in Mitteleuropa der Anbauschwerpunkt9), die Ackerbohne (Anbau in der EZ bis zum Niederrhein, erst ab RZ Ausdehnung nach Norden10) und die Linse (Anbau im ganzen Germanien11).

Daneben werden als Öl-, aber auch als Würzpflanze Lein, Leindotter und Mohn angebaut12.

Gemüse und Salate sind archäologisch schwer nachweisbar. Bisher gelingt dies nur für die wilde Möhre (grau-weiße Wurzel, orange ist eine moderne Züchtung), gefurchter Feldsalat (entsprach wohl dem heutigen) und Rübsen (Wurzelform etwa heutige Teltower Rübchen, Blattform heute etwa Chinakohl)13.

 

Gängiges Nutzvieh sind Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Pferd, Hund. Hühner verbreiten sich erst im Laufe der EZ nach Norden. Britannien und Skandinavien erreichen sie erst in der RZ, genauso wie Esel und Katze14.

Rechtsrheinisch können archäologisch Schaf und Ziege kaum nachgewiesen werden. Es dominieren zu gleichen Teilen Schwein und Rind.

Linksrheinisch sind alle vier Nutztierarten gleichmäßig anzutreffen. Dabei läßt die Verteilung der Tierarten auch einen Schluß auf die Landschaft zu: Am Niederrhein weist die hohe Zahl der Weidetiere auf ausgedehntes Offenland hin, in Westfalen spricht die große Zahl der Schweine für ausgedehnte Wälder/Waldweiden, während die gleichmäßige Verteilung im südlichen Rheinland ein ebensolches Landschaftsbild vermuten läßt15

 

Im rechtsrheinischen, freien, Germanien hält sich die eisenzeitliche Landwirtschaft noch bis in die ersten Jahrhunderte nach Christus16.

Neben Lein, Leindotter und Bohne werden in Norddeutschland als Getreide überwiegend Emmer und Hirse genutzt, an den Küsten dominiert beim Korn Gerste und Saathafer17.

 

Liste der nachgewiesenen Nutzpflanzen der jüngeren EZ (250-50 v. Chr.) nach Fundhäufigkeit18:

 

Emmer, Dinkel, Rispenhirse, Nacktgerste, Spelzgerste, Kolbenhirse,Saatweizen, Einkorn

 

Erbse, Linse, Ackerbohne

 

Leindotter, gebauter Lein (Flachs), Schlafmohn

 

Rübenkohl, Wilde Möhre, gefurchter Feldsalat

 

Haselnüsse, Eicheln, Walderdbeeren, Schlehe, Hagebutte, Brombeere, Himbeere, Schwarzer Holunder

 

Dazu: Holzapfel und die Birke (Saft als Wein vergärbar, getrockneter Bast als Notmehl verbackbar)

 

 

 

 

1Koschik, H. (Hrsg.), Pflanzenspuren, Mat. zur Bodendenkmalpflege im Rhld, Heft 10, LVR,Köln/Bonn 1999, S. 36

2Ebenda, S. 38

3Uelsberg, G.; Krieg und Frieden, Kelten-Römer-Germanen, LVR, Darmstadt 2007, S.50ff

4Koschik, S. 40

5Ebendort

6Ebenda, S. 87ff

7Ebenda, S. 88

8Körber-Grohne, U., Nutzpflanzen in Deutschland, Stuttgart 1995, S. 61 und siehe letzte Mahlzeit der Frau von Borre -Mose,

9Ebenda, S. 135

10Ebenda, S. 122ff

11Ebenda, S. 335

12Ebenda, S. 373; Boenke, N., Ernährung in der EZ, Online-Aufsatz 2002, S. 248 und siehe letzte Mahlzeit des Tollund-Mannes.

13Koschik, S. 89

14Uelsberg, S. 133ff

15Ebenda, S. 136ff

16Koschik, S. 46

17Körber-Grohne, S. 454

18Koschik, S. 90/91



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© Joachim Werthmann